«Eine Grossbank wie die UBS sollte man funktional in drei oder vier Teile aufspalten»
Den Finanzprofessor Heinz Zimmermann macht hellhörig, dass der neue UBS-Chef Sergio Ermotti an seiner ersten Pressekonferenz sagte, er glaube eher an «too small to survive» als an «too big to fail». Man müsse vielmehr über die Aufteilung von Grossbanken nachdenken, sagt der Ökonom im Gespräch.
Herr Professor Zimmermann, wann ist aus dem Privatbankier, der mit seinem Vermögen haftet, ein Managerbanker geworden?
Angefangen hat das Banking in der Schweiz mit den Textilhandelshäusern, zum Beispiel in der Ostschweiz. Aus dem heraus haben sich die Finanzierung und die Vermögensverwaltung entwickelt. Als zum Aufbau der Industrie und der Eisenbahn immer mehr Kapital nötig wurde, konnten dies die Privatbankiers nicht mehr stemmen. Deshalb sind in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Aktienbanken wie die Credit Suisse entstanden, die Risiken auf viele Schultern verteilt haben.
Hatten Banker schon immer ein schlechtes Image?
Wenn man alte Karikaturen betrachtet, war der Banker schon früher keine Identifikationsfigur, wobei diese Zeichnungen oft einen antisemitischen Einschlag hatten. Stark verschlechtert hat sich das Image in jüngerer Zeit seit der Finanzkrise 2008. Allerdings sollte man schon nach Geschäftsbereichen und Hierarchiestufen unterscheiden.
Wie meinen Sie das?
Der Kundenberater hat auch heute kein schlechtes Image. Gerade bei der Credit Suisse wurden die entscheidenden Fehler im Topmanagement und im Verwaltungsrat gemacht. Das Einschätzen von Risiken ist eine Aufgabe, die ganz oben angesiedelt ist.
Der langjährige Präsident der Schweizerischen Bankgesellschaft, also des Vorgängerinstituts der UBS, Robert Holzach hatte schon 1988 vor einem Finanz- und Währungsroulette gewarnt.
In den 1980er Jahren stiess eine neue Risiko- und Entschädigungskultur auf die trägen Schweizer Universalbanken. Das hat Holzach gestört. Man muss aber auch sagen: Unter Holzach hat die damalige SBG den Derivatehandel aufgebaut. Die Initiative zur schweizerischen Optionsbörse Soffex ging erheblich auf ihn zurück. Auch Holzach wusste, dass man hier mitmachen musste, wenn man international wettbewerbsfähig bleiben wollte.
Zieht man mit Boni nicht Glücksritter an?
Mir gefällt das Wort Glücksritter. Früher hat man einfach zehn Leute an den Börsenring gesetzt und geschaut, welche sich bewährten. Längerfristig überleben im Handelsgeschäft diejenigen, die wirklich ein Händchen dafür oder wiederholt Glück haben – und die Unterscheidung ist nicht einfach. Aber bis es so weit ist, zahlt man in diesem Selektionsprozess auch denen viel Geld, die das Geschäft nicht beherrschen. Es kommt dazu, dass die Händler, die viel verdienen, mit der Zeit sehr von sich überzeugt sind. Dies leistet der Überheblichkeit Vorschub. Ich erinnere mich, dass Mitte der 1990er Jahre die UBS einmal einen Star im Handel mit Anleihen engagiert hatte. Damit er kam, forderte er aber, dass seine Positionen nicht ins globale Risikomanagement der UBS eingingen. Und das hat man akzeptiert.
Dann würden Sie der These des Nobelpreisträgers Joseph Stiglitz zustimmen, dass sich die Kultur der Investmentbanker auch auf das restliche Bankwesen übertragen hat? Und er meinte das nicht positiv.
Dieser These kann man schon zustimmen – und sie trifft besonders auf die Ebene des Topmanagements zu.
Was heisst das?
Früher kam man nur ins Topmanagement, wenn man die Bank à fonds gekannt hat und damit auch ihre Kultur. Das ist heute nicht mehr so. Das Führungskarussell dreht sich schnell. Das Topmanagement hat zunehmend die Bodenhaftung verloren. Wenn der neue UBS-Chef Sergio Ermotti an seiner ersten Pressekonferenz sagt, er glaube eher an «too small to survive» als an «too big to fail», macht das hellhörig.
Wenn ich Ihnen so zuhöre: Müsste man dann für ein Trennbankensystem plädieren, bei dem das Investment Banking vom Rest getrennt ist?
Man sollte darüber nachdenken. Mit dem Trennbankensystem löst man das Grundproblem, dass der Sparer sein Geld einer Bank anvertraut, aber keine Kontrolle darüber hat, welche Risiken die Bank damit eingeht. Da die Einlagen zudem kurzfristig kündbar sind, ist damit auch die Gefahr eines Bank-Run verbunden, wenn die Dinge schlecht laufen.
Und mit einem Trennbankensystem wären die Probleme gelöst?
Nur teilweise, denn auch die Vermögensverwaltung ist riskanter geworden, wie sich mit den Greensill-Fonds oder den Krediten an Archegos bei der Credit Suisse gezeigt hat. Und die Milliardenbusse wegen möglicher Beihilfe zur Steuerhinterziehung in den USA fiel im Wealth-Management an.
Dann stimmt die Dichotomie von riskantem Investment Banking contra risikoarme Vermögensverwaltung gar nicht?
So einfach ist es nicht. In der Vermögensverwaltung besteht die Gefahr der Geldwäscherei oder gibt es politische Risiken, wie die jetzt inkriminierten russischen Oligarchengelder vor Augen führen. Ich denke aber auch an die Deutsche Bank, die sich im Asset-Management den Vorwurf des Greenwashing gefallen lassen musste. Man hat Produkte als nachhaltig präsentiert, die die Aufsichtsbehörden nicht als nachhaltig einstuften. Dieser Fall hat auch viele Schweizer Banken aufgeschreckt.
Dann müsste man eine Grossbank wie die UBS sogar in mehrere Einheiten zerlegen?
Ja, man muss das klassische Einlagengeschäft entkoppeln von riskanteren Geschäften. Asset- und Wealth-Management kann man zusammenführen, dann das Kommerzgeschäft und Corporate Banking, das Retail-Banking und schliesslich das Investment Banking. Eine Grossbank wie die UBS sollte man funktional in drei oder vier Teile aufspalten.
Aber zu einer Grossbank gehört doch das Investment Banking? Die UBS sagt, sie betreibe nur kundengetriebenes Investment Banking.
Es gibt unterschiedliche Modelle von Grossbanken. Es gibt auch reine globale Vermögensverwalter. Die UBS wird mit der CS zu den führenden Anbietern in diesem Bereich gehören. Sie könnte das restliche Geschäft, also auch das Investment Banking, anderen Banken überlassen.
Wie erklären Sie jemandem den Wert des Investment Banking? Was macht man da eigentlich?
Stellen Sie sich ein Unternehmen vor, das Kapital braucht, um zu expandieren, aber die bestehenden Eigentümer verfügen nicht über die erforderlichen finanziellen Mittel. Diese sucht man auf dem Kapitalmarkt. Investoren zu finden, ist aber kompliziert und erfordert ein Beziehungsnetz. Dies ist das Geschäft der Investmentbanken. Nur wenn man eine Wirtschaft hat, die nicht mehr wächst, kann man auf das Investment Banking verzichten.
Sollte das Investment Banking nur noch von Bankiers betrieben werden, die auch im Risiko stehen, also zum Beispiel im Rahmen einer Partnerschaft wie bei Rechtskanzleien?
Dieser Prozess ist bereits im Gang. Sehr viel Wachstumskapital wird nicht mehr über Banken mobilisiert, sondern über Private Equity oder im Fall von Fremdkapital über Private Debt.
Wenn die Finanzierung zunehmend ausserhalb des Bankwesens abläuft: Sind das nicht die berüchtigten «Schattenbanken», in denen sich neue Risiken kumulieren?
Der Vorteil neuer Finanzierungsformen ist, dass bestimmte Risiken besser verteilt werden können. Sie konzentrieren sich somit nicht in den Bankbilanzen. Grosse Investoren wie Pensionskassen, Versicherungen oder Anlagefonds üben eine direkte Kontrolle aus. Ich vermute, dass ihr Anlageprozess professioneller abläuft als bei den Banken. Aber ich gebe zu: Vor der Finanzkrise 2008 hat man auch gedacht, dass die Hypothekenpapiere breit gestreut seien, und dann gab es doch eine grosse Konzentration in den Bankbilanzen.
Wo sehen Sie noch Ursachen für die wiederholten Bankenkrisen?
In den 1990er Jahren hat ein völlig verfehltes Wertekonzept in der Bankbranche Einzug gehalten. Es geht um die buchhalterische Eigenkapitalrendite, die von namhaften Beratungsfirmen propagiert worden war.
Was soll an einer hohen Eigenkapitalrendite schlecht sein?
Nichts, wenn man die damit verbundenen Risiken offenlegt. Gerade buchhalterische Eigenkapitalrenditen lassen sich aber einfach manipulieren: Wenn man das Eigenkapital halbiert, kann man, ohne etwas zu verändern, die Rendite bei demselben Gewinn verdoppeln. Dies hat dazu geführt, dass das Eigenkapital immer mehr erodiert ist.
Da Eigenkapital teuer ist, ist das doch nachvollziehbar.
Das ist verkürzt gedacht. Berücksichtigt man die systemischen Risiken, sind höhere Kapitalanforderungen legitim. Dies wird zwar zu einem Aufschrei in der Branche führen, aber wenn Banken mehr Eigenkapital haben, sinken aus Sicht der Kapitalgeber auch die Risikoprämien, weil sie sicherer werden. Das Eigenkapital würde billiger.
Beobachter der Finanzmärkte
Heinz Zimmermann unterrichtet Finance an den Universitäten Bern und Basel. Seine Dissertation schrieb der Berner 1985 zum Schweizer Aktienmarkt, nach einem Abstecher an die University of Rochester im Gliedstaat New York. Der Ökonom war ein Schüler von Karl Brunner, der mit Milton Friedman und Allan Meltzer zu den prägenden Figuren des Monetarismus zählte. Dessen Vertreter setzen sich für eine regelgebundene Geldpolitik ein.
Author: Susan Morgan
Last Updated: 1703832961
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